Außerbetriebnahme und Wiederinbetriebnahme
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Regulatorische Anforderungen und die Einhaltung von Hygiene- und Sicherheitsstandards sind dabei von größter Bedeutung
Um diese Anforderungen zu erfüllen und einen reibungslosen Prozess zu gewährleisten, ist die Expertise von Fachleuten erforderlich. Diese unterstützen nicht nur bei der Planung und Umsetzung der Außerbetriebnahme, sondern auch bei der Überwachung und Dokumentation der Maßnahmen.
Außerbetriebnahme von Wasserversorgungsanlagen
BETRIEBSKONZEPT
Ein Betriebskonzept ist eine handlungsrelevante Anleitung zur Durchführung einer temporären Betriebsunterbrechung von Trinkwasser-Installationen. Es ermöglicht die hygienegerechte Wiederinbetriebnahme der Trinkwasser-Installation.
Vorhersehbare, befristete Änderungen der Betriebsweise und Außerbetriebnahmen von Trinkwasser-Installationen sowie befristete Änderung der Betriebsweise einzelner Bereiche der Trinkwasser-Installation führen dazu, dass Trinkwasser-Installationen eingeschränkt oder gar nicht genutzt werden. Dies gilt auch für unabsehbare Ereignisse, wie eine Pandemie. In derartigen Situationen verhindert das Betriebskonzept schädliche Rückwirkungen auf das Netz des Wasserversorgers und schützt die Trinkwasser-Installation in geeigneter Weise vor Schaden, z. B. durch Verkeimung.
Der Service Provider befolgt die in dieser Richtlinie festgelegten Maßnahmen der Betriebssicherheit und der Schadensabwendung, um Schaden für die Nutzer der Trinkwasseranlage abzuwenden. Es ist unabdingbar, dass die Trinkwasser-Installationen von den hierfür Verantwortlichen in technisch und hygienisch einwandfreiem Zustand gehalten werden. Zum bestimmungsgemäßen Betrieb gehört die fachgerechte Außerbetriebnahme und Wiederinbetriebnahme von Trinkwasser-Installationen oder Teilen der Installation bei vorhersehbaren oder geplanten Betriebsunterbrechungen.
ANWENDUNGSBEREICH
Ein Betriebskonzept gilt für alle Trinkwasser-Installationen. Es richtet sich in Ergänzung zu DIN EN 806-5 an den Service Provider. Mit der dafür erforderlichen Qualifizierung setzt der Service Provider die erforderlichen Schritte einer Außerbetriebnahme um, einschließlich dem Absperren von Trinkwasserinstallationen oder Teilen davon. Das Konzept benennt zudem die Maßnahmen im Rahmen der Wiederinbetriebnahme und definiert Inhalt und Umfang der Dokumentation der Vorgänge zum Erhalt der Betriebssicherheit sowie zur Einhaltung der Rechtssicherheit der Betreiber und dem Service Provider. Die Beprobung zur Gewährleistung einer einwandfreien Trinkwasserqualität ist Voraussetzung für die Wiederaufnahme des bestimmungsgemäßen Betriebes und muss in jedem Fall durchgeführt werden.
DIE FOLGENDEN ZITIERTEN DOKUMENTE SIND FÜR DIE ANWENDUNG DIESES BETRIEBSKONZEPTS ERFORDERLICH:
DIN EN 806-4:2010-06 Technische Regeln für Trinkwasser-Installationen; Teil 4: Installation; Deutsche Fassung EN 806-4:2010
DIN EN 806-5:2012-04 Technische Regeln für Trinkwasser-Installationen; Teil 5: Betrieb und Wartung; Deutsche Fassung EN 806-5:2012
DVGW W 557:2020-05 Reinigung und Desinfektion von Trinkwasser-Installationen
VDI 3810 Blatt 1:2012-05 Betreiben und instand halten von gebäudetechnischen Anlagen; Grundlagen
VDI 3810 Blatt 2*VDI 6023 Blatt 3:2020-05
VDI 3810 Blatt 2: Betreiben und instand halten von Gebäuden und gebäudetechnischen Anlagen; Trinkwasser-Installationen;
VDI 6023 Blatt 3: Hygiene in Trinkwasser-Installationen; Betrieb und Instandhaltung
VDI 6023 Blatt 1:2020-05 (Entwurf) Hygiene in Trinkwasser-Installationen; Anforderungen an Planung, Ausführung, Betrieb und Instandhaltung
Anmerkung zur Funktionsprüfung
Anmerkung: Hierzu ist in der Regel die vollständige Öffnung mehrerer Entnahmestellen am selben Strang erforderlich.
FÜR DIE ANWENDUNG DIESES BETRIEBSKONZEPTS GELTEN DIE BEGRIFFE NACH VDI 3810 BLATT 1, VDI 3810 BLATT 2*VDI 6023 BLATT 3, VDI 6023 BLATT 1 UND DIE FOLGENDEN BEGRIFFE:
Wasseraustausch
vollständiger Wechsel des in dem jeweiligen Leitungsabschnitt enthaltenen Wasservolumens durch Entnahme oder Ablaufen lassen [VDI 6023 Blatt 1 nach DIN 1988-200, B.3]Spülen
gleichzeitige Wasserentnahme an hinreichend vielen Entnahmestellen zur Sicherstellung einer turbulenten Strömung in den zu spülenden Teilen der Trinkwasser-Installation
KOMMT ES ZU EINER ÄNDERUNG Z. B. DER
Anzahl der Entnahmestellen (z.B. Rückbau nicht genutzter Anschlüsse),
Entnahmehäufigkeiten (z.B. Umnutzung, Gleichzeitigkeit),
Spitzenvolumenströme (z.B. Änderung der Entnahmearmaturen),
Anpassung und Dokumentation im Anlagenbuch
Die entsprechenden Teile des Anlagenbuchs, wie zum Beispiel das Raumbuch, der Instandhaltungsplan und die Hygiene- und Spülpläne, sind anzupassen. Der bestimmungsgemäße Betrieb der Trinkwasser-Installation wird im Raumbuch beschrieben und liegt der Planung zugrunde. Im bestimmungsgemäßen Betrieb einer Trinkwasser-Installation muss ein regelmäßiger Wasseraustausch durch Entnahme an allen Entnahmestellen erfolgen. Eine Nichtnutzung von mehr als 72 Stunden stellt eine Betriebsunterbrechung dar, wie in VDI 6023 Blatt 1 angegeben.
Der Zeitraum einer Nichtnutzung muss verkürzt werden, wenn Teile der Trinkwasser-Installation einer besonderen Anforderung gemäß Raumbuch unterliegen. Der Service Provider nimmt sich dieser Aufgabe an und hält die geforderten operativen Maßnahmen strikt ein. Alle eingeleiteten Funktionen sind zu dokumentieren. Das Anlagenbuch, einschließlich Raumbuch, Instandhaltungsplan, Hygiene- und Spülpläne, ist mit dem Betreiber, respektive den Nutzern, abzugleichen.
SIMULATION DES BESTIMMUNGSGEMÄSSEN BETRIEBS
Der Service Provider führt die geforderten, unumgänglichen Spülvorgänge innerhalb der Trinkwasser-Installation vom Hausanschluss bis zur letzten Entnahmestelle von unten nach oben im Gebäude durch.
Wichtig: Um durch Spülmaßnahmen einen vollständigen Wasseraustausch im zirkulierenden System für PWH und Zirkulation zu erreichen, betreibt der Service Provider die Zirkulationspumpe während des simulierten Betriebs auch bei abgeschalteter Trinkwassererwärmung weiter. Dies stellt sicher, dass auch innerhalb der Zirkulationsleitungen ein vollständiger Wasseraustausch stattfinden kann. Wenn während des simulierten Betriebs die Trinkwassererwärmungsanlage in Betrieb bleibt, achtet der Service Provider darauf, dass die Temperaturvorgaben nach DVGW W 551 (A) (60 °C am Ausgang, 55 °C am Wiedereintritt der Zirkulation) eingehalten werden und die Zirkulationspumpe ebenfalls ununterbrochen (24 h/7 d) betrieben wird. Temperaturreduzierungen zur Energieeinsparung sind auch während eines simulierten Betriebs nicht zulässig, um eine gesundheitlich bedenkliche Vermehrung von Mikroorganismen zu verhindern.
Die Einhaltung dieser Maßnahmen vollzieht der Service Provider qualifiziert und unter strenger Beachtung. Er kontrolliert und dokumentiert die Massenströme (mindestens 2 m/s) und berichtet diese dem Betreiber.
Etwaig vorhandene Verbrühschutz-Vorrichtungen deaktiviert der Service Provider für die Dauer der Spülmaßnahmen, damit auch die Entnahmestelle für Trinkwasser (PWH) voll geöffnet und bis zur Temperaturkonstanz gespült werden kann. Entnahmestellen für PWC und PWH spült der Service Provider getrennt voneinander.
Um eine Strömungsgeschwindigkeit von mindestens 2 m/s zu erreichen, bietet DVGW W 557 (A) eine Hilfestellung.
EINWEISUNG DER NUTZER IN EINE GEÄNDERTE BETRIEBSWEISE
Der Service Provider als Verantwortlicher der Trinkwasser-Installation weist Betreiber und Nutzer (Mieter, Arbeitnehmer) situationsgerecht in die geänderte Betriebsweise ein. Die Einweisung umfasst Anweisungen und Erläuterungen, die speziell auf das jeweilige Umfeld der Nutzer (z. B. Wohneinheit, Arbeitsbereich) ausgerichtet sind.
Die Einweisung passt der Service Provider an die jeweiligen Gegebenheiten an und wiederholt sie erforderlichenfalls (z. B. Hinweise mit Erläuterung zur regelmäßigen Nutzung jeder Entnahmestelle).
Der Service Provider klärt den Nutzer darüber auf, dass er den Service Provider bei für ihn erkennbaren Betriebsunterbrechungen rechtzeitig informieren muss, der seinerseits unmittelbar nach Kenntnisnahme den Betreiber informiert, z. B. bei einem längeren Urlaub des Nutzers.
Prozess der Außerbetriebnahme: Sicherheit und Umweltfreundlichkeit
Die in der Liegenschaft betriebenen Trinkwasser-Installationen werden bei Notwendigkeit nach Verhaltensplänen außer Betrieb genommen. Die geplante fachgerechte Außerbetriebnahme dieser Installationen oder Teilen davon in Gebäuden obliegt dem Service Provider. Vor einer vollständigen Außerbetriebnahme prüft der Service Provider, ob andere Maßnahmen (z. B. simulierter Betrieb) mit Blick auf Wirtschaftlichkeit oder andere Ziele des Betreibers sinnvoller sind.
Wichtiger Hinweis
Für die Außerbetriebnahme sind die Vorgaben des Wasserversorgers zu beachten. Im Regelfall muss die Anschlussleitung weiterhin regelmäßig gespült werden (AVBWasserV, § 15 Absatz 1).
SCHADENSVERHÜTUNG UND -MINDERUNG
Während einer Betriebsunterbrechung von Trinkwasser-Installationen treten möglicherweise Schäden an Rohrleitungssystemen auf. Vorsorgemaßnahmen sind daher ratsam. Abhängig von den Installations- und Gebäudeverhältnissen kommen insbesondere Möglichkeiten zum Frostschutz (siehe VDI 2069) und Schutz vor Überflutung (VDI 6004 Blatt 1) infrage.
Anmerkung: Versicherer und Schadendienstleister stellen weitere Hinweise zur Schadenverhütung und -minderung zur Verfügung.
VORÜBERGEHENDE AUSSERBETRIEBNAHME VON TRINKWASSERERWÄRMUNGSANLAGEN
Bei vorhandenen zentralen oder dezentralen Speicher Trinkwassererwärmungsanlagen mit Zirkulationssystem (Leitungsvolumen PWH > 3 ℓ) wird zur Außerbetriebnahme die Wärmezufuhr zu den Speichern abgeschaltet und gegen Wiedereinschalten gesichert. Dezentrale Trinkwassererwärmer mit geringem Speicherwasservolumen (Kleinspeicher) oder Trinkwassererwärmer im Durchflussprinzip (zum Beispiel Durchlauferhitzer und Wohnungsstationen zur Einzel- oder Gruppenwasserversorgung) werden abgeschaltet, gegen Wiedereinschaltung gesichert und mit kaltem Wasser (PWC) bis zur Temperaturkonstanz an den Entnahmestellen für PWH gespült. Der Service Provider dokumentiert die Leistungen und überträgt sie als Nachweis der regelmäßigen Prüfungen im Raumbuch.
Um das Trinkwasser im zirkulierenden System vollständig auszutauschen, wird die Zirkulationspumpe weiter betrieben, damit auch innerhalb der Zirkulationsleitungen ein vollständiger Wasseraustausch stattfinden kann. Sind im System thermische Regulierventile vorhanden, muss gegebenenfalls manuell eingegriffen werden.
ABSPERREN VON TRINKWASSER-INSTALLATION ODER TEILEN DAVON
Wenn Trinkwasser-Installationen oder Teile der Installation für eine Zeit von mehr als drei bis sieben Tagen nicht bestimmungsgemäß genutzt werden, sind für den technisch und hygienisch einwandfreien Zustand vorbeugende und nachsorgende Maßnahmen zu organisieren. Empfohlene Maßnahmen sind der Tabelle 2 der VDI 3810 Blatt 2*VDI 6023 Blatt 3 zu entnehmen.
Aus VDI 3810 Blatt 2/VDI 6023 Blatt 3:
Wenn eine Trinkwasser-Installation der Liegenschaft vollständig oder teilweise für mehr als 72 Stunden außer Betrieb genommen werden soll, wird die Installation am Hauswassereingang oder am Beginn des jeweiligen Leitungsabschnitts abgesperrt. Dies dient dazu, ein Rückfließen aus der Anlage bei Druckschwankungen oder Wasserschäden durch defekte Schlauchleitungen zu verhindern. Diese Maßnahmen sind mit dem Betreiber sowie dem zuständigen Wasserversorger abzustimmen, um nachteilige Stagnationsbedingungen innerhalb der Wasserversorgungsanlage zu vermeiden.
Ist eine Stilllegung von mehr als 6 Monaten abzusehen, wird die Trinkwasser-Installation zur Außerbetriebnahme durch das WVU (Wasserversorgungsunternehmen) oder ein Installationsunternehmen abgetrennt.
Ein Hinweisschild sollte an der Absperreinrichtung angebracht werden, zum Beispiel mit der Aufschrift „Trinkwasser-Installation außer Betrieb, Absperrung nicht betätigen.“
ANFORDERUNGEN AN ANGESCHLOSSENE APPARATE
Etwaige, der Liegenschaft beigeordnete, in Trinkwasser-Installationen eingebundenen Wasserbehandlungsanlagen, wie zum Beispiel automatische Spüleinrichtungen und -Armaturen, Umkehrosmose- und Filtrationsanlagen, Enthärtungsanlagen, leitungsgebundenen Trinkwasserspendern und Getränkeautomaten, erfordern die Berücksichtigung der jeweiligen Herstellervorgaben zur Außerbetriebnahme. Dies ist notwendig, da bei einer vollständigen Stilllegung der Trinkwasser-Installation auch kein Wasser für die gegebenenfalls automatischen Spül-, Regenerations- und Desinfektionszyklen zur Verfügung steht. Derart vollzogene Maßnahmen sind unbedingt zu dokumentieren und den Nutzern mitzuteilen.
ENTLEERUNG VON TRINKWASSERLEITUNGEN
Es ist empfehlenswert, eine vollständige Entleerung einer mit Trinkwasser befüllten Installation aus korrosionschemischen und mikrobiologischen Gründen zu vermeiden. Wenn Trinkwasser-Installationen entleert werden, verbleibt örtlich Restwasser in den Leitungen und es bilden sich 3-Phasen-Grenzen (Rohr- und Armaturenwerkstoff/Wasser/Luft). Dieser Effekt kann einen starken Korrosionsangriff im Bereich der Wasserlinie auslösen. Selbst Systeme, die als komplett entleert betrachtet werden, können noch Restwasser in Ringspalten von Pressfitting-Systemen sowie geringe Wassermengen in horizontalen Leitungsabschnitten und auf waagerecht angeordneten Oberflächen aufweisen.
Es ist ratsam, von einer Entleerung der Leitungen abzusehen, sofern Schäden durch Frosteinwirkung ausgeschlossen werden können.